Schnaufend stehe ich auf dem x-ten Pass meiner Wanderung auf dem GR20 und kann wieder mal nur staunen. Nicht nur über die grandiosen Ausblicke, sondern auch über die unglaubliche Vielfalt Korsikas. Nach jedem Pass steht man auf einmal wieder in einer ganz anderen Welt, die Landschaft verändert sich ständig und auf den 170km des Weitwanderweges GR20 bekommt man sehr viel geboten. Das muss man sich allerdings erstmal verdienen! Auch wenn der GR20 inzwischen wahrscheinlich nicht mehr der schwierigste Wanderweg Europas ist, einfach ist er trotzdem nicht.
Es gibt inzwischen mehr Komfort, manche Strecken wurden verlegt, vereinfacht und Essen kann man unterwegs immer wieder kaufen oder man schläft gleich in eine Hütte oder einem gemieteten Zelt anstatt die gesamte Ausrüstung zu tragen. Was bleibt sind noch immer knackige Höhenmeter, teils sehr steile Anstiege oder Abstiege auf Felsplatten, Geröll, Abhängen, Felsblöcken. Immer wieder gibt es seilversicherte Stellen oder leichte Kletterstellen. 12,000 Höhenmeter insgesamt warten darauf begangen zu werden, zwischen 900hm und 2600m bewegt man sich in meist 15 Tagen. Ein Vergnügen für alle trittsicheren Wanderer mit etwas Klettererfahrung, schwierig für manch andere vor allem bei schwerem Rucksack. Dennoch absolut lohnenswert und atemberauben schön, kommt mit auf Wanderung von Süd nach Nord.
Inhaltsverzeichnis
Woche 1: GR20 Süd
Fast alle Wanderführer beschreiben den GR20 von Nord nach Süd, die Richtung hat sich irgendwie eingebürgert. Warum erschließt sich mir nicht so ganz, gen Norden hat man die Sonne immer angenehm im Rücken, läuft sich langsam auf den einfacheren Etappen warm und kann gut eingelaufen und mit weniger Rucksackgewicht (falls ihr die Verpflegung selbst schleppt) die schwierigen Nordetappen in Angriff nehmen.
Ich selbst habe die Wanderung als Wanderführer für Wikinger Reisen zweimal vom Col de Bavella bis zum Forêt de Bonifatu durchgeführt.
Der GR20 startet (oder endet) im Süden in Conca auf 252m Höhe. Gut 1000 Höhenmeter Anstieg und mehr als 13km erwarten einen dann bereits am ersten Tag bis zum Refuge de Paliri, gefolgt von einem auf und ab über 5km bis zum Col de Bavella.
Die Aiguilles de Bavella sind bei Korsika Touristen sehr beliebt. Die sogenannten Dolomiten Korsikas (auch wenn es anderes Gestein ist!), beeindrucken durch ihre einzigartige Form und Verwitterung. Bereits bei unserer Anfahrt zum Bavella Pass bin ich beeindruckt! Die Sonne geht langsam unter und taucht die Landschaft in wunderschönes Licht. Hier sieht man auch die Laricio-Kiefer, die korsische Schwarzkiefer, die besonders ausladende Äste hat. Wir kommen direkt am Bavella Pass in einer Hütte unter für die erste Nacht.
Dann heißt es am nächsten Morgen auch schon gleich auf in die Bergwelt Korsikas! Der letzte Segen kann von der Madonna della Neve (Schnee-Madonna) am Pass geholt werden, wo schon viele andere um Beistand oder für ihre Liebsten gebetet haben. Nach nur ein paar hundert Meter gilt es auch schon die erste Entscheidung zu treffen – hoch auf die alpine Route oder den normalen GR20 um den Berg herum. Die gelb markierte alpine Variante ist viel zu schön, nur bei Regen oder Unwetter sollte man lieber auf dem rot-weiß markierten GR20 bleiben. Auf geht es also direkt hinein in die verwitterten Felsen. Die Gletscher der Eiszeit haben einen Großteil Korsikas bedeckt aber sie haben nur bis kurz vor Bavella gereicht, daher sind die Felsen hier besonders stark verwittert.
Die erste kleine Scharte ist bald erreicht aber das war es noch nicht für heute! Weiter nach oben führt der Weg den Hang hinauf, ein bisschen kraxeln ist immer mal wieder angesagt und kleine Felsplatten müssen überwunden werden. Bei trockenem Wetter gar kein Problem, bei Regen sollten die rutschigen Platten jedoch lieber vermieden werden (dann nicht die alpine Variante gehen!). Ein größerer, abschüssiger Felsbrocken ist mit einer Kette versichert und so kann man ihn ohne Probleme rauf oder runterklettern. Danach ist es nicht mehr weit bis zum höchsten Punkt des heutigen Tages. Der Weg wird wieder einfacher zu gehen und je nach Hitzegrad kann man sich hier oben einen sonnigen oder schattigen Platz für die Mittagspause suchen. Danach geht es erstmal wieder bergab, wieder hinein in den Wald und immer weiter bergab bis zum Asinau Fluss. Dieser muss hier gequert werden, aber für viele geht es erstmal zum Baden in eine der Gumpen! Für mich eines der Highlights Korsikas, kristallklares Wasser aus Bergbächen mit Gumpen, die zum Baden nur so einladen. Zumindest wenn man keine Frostbeule ist, das Wasser ist hier natürlich eiskalt!
Nach dem erfrischenden Bad geht es allerdings noch einmal hinauf. Der Weg ist unschwierig aber am Nachmittag ziehen sich die Höhenmeter etwas bis zur Asinau Hütte. Die Hütte ist 2016 leider verbrannt, der Hüttenwirt hat sich aus eigenen Mitteln 2018 eine kleine Holzhütte gebaut um trotzdem noch seine Gäste bewirten zu können – auch wenn es kein Lager mehr gibt. Stattdessen stehen schon unzählige sehr kleine Zelte mit Isomatten. Sein eigenes Zelt kann man natürlich auch aufschlagen. Es gibt 4 Trockentoiletten mit einem interessanten Trenn- und Kompostsystem, zwei Duschen aber leider nur ein Wasserhahn mit Quellwasser und kleinem Trog an dem alle zusammenkommen um sich ihre Zähne zu putzen, Flaschen aufzufüllen, Wäsche zu waschen etc. Der Blick ins Tal und die Bavella Türme sind grandios, hier lässt sich der Tag wunderbar bei einem Glas Wein ausklingen.
Vom Refuge d‘Asinau geht es am nächsten Morgen direkt steil los mit einem Aufstieg zur Scharte unterhalb des Monte Incudine, der Bocca Stazzunara. Den Anstieg konnte man schon gestern gemütlich von der Hütte „bewundern“, jetzt heißt es aber nach dem etwas dürftigen korsischen Frühstück (Baguette, Marmelade, Kaffee) gleich die Höhenmeter in Angriff zu nehmen. Der erste Teil ist vom Weg her einfach, je weiter man nach oben kommt, desto schwieriger wird der Weg, es gilt wieder einmal Felsplatten zu überqueren oder erklimmen und etwas zu kraxeln. Bei Regen ist es nicht so schön aber dennoch machbar, die Felsen sind wirklich sehr griffig und auch bei Nässe noch in Ordnung. Am Pass angekommen gilt es erstmal das Panorama zu bewundern und dann noch einmal die paar Höhenmeter mehr zum Gipfel des Monte Incudine zu wandern – und wieder zurück (das Gipfelkreuz sieht man schon vom Pass, nur bei Unwetterwarnung sollte man dort nicht hoch).
Nach dem Gipfel wandert man in eine ganz andere Welt hinein. Eben noch steinig und felsig, ist jetzt alles grün mit einem sehr einfachen Wanderpfad. Der Weg führt gemächlich absteigend am Felsen entlang und man kann die Aussicht genießen. Ab und an heißt es aufpassen, der Weg verändert die Richtung, geht kurz an einer Offroad Piste entlang und dann wieder querfeldein an Bächen und Mooren entlang bis auf einer weiteren Fahrstraße das Dach der Croci Hütte ins Blickfeld gelangt.
Herzlichkeit wird hier großgeschrieben und man fühlt sich hier gleich wohl. Es gibt ein Lager und Zelte, drei tolle Duschen (warmes Wasser, wenn man nicht zu spät abends da ist!) und genug Waschplätze für alle. Die Verpflegung ist wirklich toll, ein uriger Hüttenabend ist hier garantiert, bei üppigem Essen mit Charcuterie, einer riesigen Portion Lasagne, Käse und Nachtisch. Der selbstgemachte Myrtenlikör ist hier auch zu empfehlen und der Sonnenuntergang direkt vor der Hütte!
Nur eine Stunde weiter auf dem GR20 ist schon das Refuge Matalza und ca. 1 1/2h von dort ist die Bergerie Bassetta, die beide Unterkunft und Verpflegung bieten. Allerdings hieße das auch weiteres Absteigen und so geht es für uns stattdessen auf einer Querverbindung zum alten GR20 und dann durch ein traumhaftes Moorgebiet zur Bocca di l’Agnone wo wir wieder auf den neuen GR20 stoßen. Jetzt geht es so richtig los, der Weg über den Denkmalsgrat tanzt mal rechts mal links vom Kamm und lockt mich immer wieder zum Stehen bleiben mit den traumhaften Ausblicken. Auf der einen Seite das Meer, auf der anderen die Bergwelt und das Tal. Der Abschnitt macht mir unheimlich Spaß, er ist fordernd mit ein paar Kraxelstellen und überrascht immer wieder mit neuen Felsen.
Die Sonne brennt mir nur so auf den Rücken aber durch die Höhe ist es zum Glück nicht allzu heiß. Das mit buddhistischen Flaggen geschmückte Refuge d’Usciolu kommt nach 2h in Sichtweite, aber bis man dort ist heißt es noch etwas weiter kraxeln und dann 10 Minuten absteigen. Dafür wird man mit einem kalten Getränk oder Kaffee belohnt. Die Unterkunft ist spartanisch, 1 Toilette und 1 Dusche für unzählige Zeltplätze und ein paar Lagerplätze, dafür ist die Stimmung und die Aussicht aber grandios.
Wir machen hier aber nur eine Nachmittagspause, danach steigen wir ab bis nach Cozzano, fünf lange Kilometer und 1000 Höhenmeter, dafür lockt eine richtige Unterkunft mit Strom, fließen Wasser in einem kleinen Dorf mit Restaurant, Bar, Mini-Supermarkt und Apotheke.
Wer absteigt muss natürlich auch wieder aufsteigen und so geht es an Tag 5 erst einmal wieder aufwärts. Durch einen wunderschönen Wald geht es auf dem Mare a Mare Fernwanderweg stetig bergauf, an korsischen Schweinen vorbei bis wir am Col de Laparo wieder auf den GR20 stoßen.
Von dort führt uns der Weitwanderweg GR20 wieder am Kamm entlang. Weiter aufwärts geht es, während ich achtsam schaue, wohin ich trete versuche ich gleichzeitig die Felsenformen zu interpretieren. Ein Indianer-Häuptling sehe ich auf der einen Seite und dort weiter hinten einen Elefanten. Ich liebe diesen Weg und die abwechslungsreichen Blicke. Nicht „nur“ ein Blick ins Tal, der Blick reicht unendlich viel weiter in die kommenden Bergwelten und die Felsen bieten immer neue überraschende Formationen.
Nach einiger Zeit kommen wir zur Punta Cappella, nur ein paar Höhenmeter mehr ist der Gipfel schon in Sichtweite. Mit leichter Blockkletterei auf großen Felsblöcken erreiche ich den Gipfel auf 2041m Höhe und bin begeistert! Der blaue Himmel mit seinen Quellwölkchen strahlt über den grauen Felsen und grünen Hängen. Gipfelglück pur!
Aber danach heißt es auch schon weitergehen, auf dem GR20 kommen noch so einige Kraxelstellen, so dass die wenigen Kilometer bis zur Prati-Hütte sich dann doch noch ziehen. Der letzte Kilometer führt dann doch noch einfach bis zu unserer wohlverdienten Pause bei frischem Quellwasser, Cola oder Kaffee. Die Hütte ist sehr schön gelegen, zelten wäre hier sicherlich auch toll! Aber es geht für mich noch 5km weiter bis zum Col de Verde. Nach einem ganz kurzen weiteren Aufstieg zur Bocca d‘Oru führt der Weg nach links runter, die Serpentinen winden sich über die Felsen, Geröll und ziehen sich etwas. Die Wanderer, die hier aufsteigen haben es allerdings deutlich schwerer als wir! Schließlich führt der Weg in den Wald und macht einen großen Bogen. Schon wieder bin ich in einer ganz anderen Welt gelandet. Leuchtend grüne Kiefern und Pflanzen heben sich hier gegen die weiß-grauen Felsen ab und ich kann mich kaum sattsehen an diesem Blick. Ein weiterer steiler Waldabschnitt führt mich letztendlich bis zum Col de Verde. Hier stößt man zunächst auf Autos und die Passstraße, gegenüber ist die gemütliche Gîte – mit Zeltplätzen und kleinen Hütten. Zwei Toiletten sind eindeutig zu wenig für die vielen Menschen hier, dafür wird man wieder einmal herzlich aufgenommen und versorgt.
Der sechste Tag zum Refuge de Capannelle ist eine absolute Erholungsetappe. Keine 13km führt der Weg auf einfachen Waldwegen in munterem auf und ab. Direkt vom Col de Verde führt der Weg auf einem einfach Forstweg durch den Wald, kleine Bäche mit Forellen werden überquert. Langsam führt der Weg bergan und zu einer Brücke über den Marmano. Hier bietet sich ein Abstecher an zu den Bergeries de Pozzi. Anstatt nach rechts über die Brücke geht man links weiter, kleine Steinmännchen weisen den Weg. Es geht hier etwas steiler weiter aber die Mühe lohnt sich! Bei den eiszeitlichen Pozzi angekommen kann man einfach nur staunen. War ich gerade noch im Wald stehe ich hier vor den verlandeten Karseen in einem Hochmoor, frisch-grünes Gras, leuchtend blaue Tümpel, Bäche und Seen und dahinter die Berge. Der hellblaue Himmel mit Schäfchenwolken rundet das Ganze ab und bringt es zum Strahlen! Eine ausgiebige Pause ist hier ein Muss!
Danach geht es entweder auf einer weiteren Abzweigung zurück zum GR20 oder für die Abenteurer als Alternative über den Monte Renoso! Aus 2353m Höhe lockt der Gipfel des Monte Renoso mit einem grandiosen Ausblick, einem in Stein gehauenen Maurenkopf und dem Lac de Bastiani. Allerdings ist der Weg bis zum Gipfel von den Pozzi unmarkiert, nur einige Steinmännchen weisen in höheren Lagen den Weg. Der Abstieg zum Refuge Capannelle ist wiederum dann markiert. Ich hab es leider noch nicht auf den Gipfel geschafft, leider gab es bei mir zu viel Schnee um die Überschreitung komplett zu wagen.
Es geht also zurück zum GR20, bei der Bergerie Gialgone gibt es frisches Quellwasser und ich stoße hier wieder auf den GR20. Nun führt der Weg um den Monte Renoso herum, durch eher offenes Gelände, Waldbrände haben hier leider die Natur zerstört. Die Hitze und Trockenheit Korsikas im Sommer fordert immer wieder ihren Tribut. Durch Kiefernwald gehe ich immer weiter langsam bergab bis ich an die Straße komme. Einmal über die Brücke geht der Weg dann für ein paar hundert Höhenmeter steil bergan, oben wird man dafür mit einem tollen Blick auf den Monte Renoso belohnt. Kurz vor Ziel gibt es dann noch eine Kraxelstelle, mit Blick auf die Unterkunft steigt man dann wieder ab und wird mit einem sehr leckeren Kastanienkuchen und wunderbar heißen Duschen belohnt! Im Refuge de Capannelle ist es immer voll, laut und gemütlich! Zeltplätze, Zimmerlager und kleine Blockhütten laden zum Verweilen ein.
Der letzte Tag auf dem südlichen GR20 bricht an, ein einfacher Tag, 16km und nicht allzu viele Höhenmeter. Immer der rot-weißen Markierung nach steigen wir über dem Refuge de Capannelle auf, queren eine Straße und tauchen in einen Kiefernwald ein. Vorbei an einer ersten Bergerie wandern wir immer weiter auf einem wunderschönen Pfad bis zu einer scharfen Linkskurve. Hier ist ein perfekter Rastplatz, wir blicken zurück auf Monte Renoso und genießen den Augenblick im Schatten eines großen Baumes. Dann geht es weiter bis zur malerischen Bergerie d’Alzeta, deren Dach rot leuchtet und dann stetig aufwärts bis zum höchsten Punkt für heute, der Bocca Palmente auf 1640m Höhe. Stolz erhebt sich vor uns der Monte d’Oro mit seinen 2389m. Der Blick ist gigantisch und schreit nach einer langen Pause, auch wenn es hier keinen Schattenplatz gibt. Dafür kommt kurz darauf eine erfrischende Quelle bevor es in Serpentinen wieder einmal bergab geht. Bald sind wir bereits im Wald und gehen in langen Serpentinen abwärts. Der schmale Waldweg zieht sich langsam dahin, der Schatten der Bäume tut gut nach der brennenden Sonne. Nach gut 5h heute erreichen wir Vizzavona. Auf gerade mal 920m Höhe ist Vizzavona viel weniger als ein Dorf und besteht nur aus diversen Campingplätzen, Hotels, zwei Restaurants und einem winzigen Dorfladen mit Trekkingnahrung. Nicht zu vergessen der Bahnhof, der mitten auf der Strecke zwischen Ajaccio und Bastia liegt und das Tor in die „Zivilisation“ ist. Für uns heißt es hier zwei Nächte zu verbringen und wahlweise auszuruhen oder den Monte d’Oro zu erklimmen.
Auch für Wanderer, die alleine unterwegs sind bietet es sich hier an, nach den Fahrzeiten zu schauen und für einen halben Tag zum Beispiel nach Corte zu fahren, um sich in einem Outdoorladen eventuell Ersatzausrüstung zu besorgen, im Supermarkt frisches Essen zu kaufen und es sich in einem der zahlreichen Cafés gut gehen zu lassen. Mit der Zitadelle, die hoch über der Stadt thront, ist Corte einen gemütlichen Ausflug wert.
Ich habe es mir allerdings auch nicht nehmen lassen, einen Versuch zu unternehmen, den Monte d’Oro zu besteigen. 1500 Höhenmeter rauf und 1500 Höhenmeter wieder runter warten allerdings auf einen, wenn man wieder zurück nach Vizzavona geht. Alternativ geht es vom Monte d’Oro sonst auch gleich auf der anderen Seite wieder zum GR20 weiter. Der Aufstieg ist mit gelben Punkten ab Vizzavona ganz gut markiert und anfangs einfach aber stellenweise steil. An der Bocca die Pozzi musste ich dann leider abbrechen, da im Juni noch zu viel Schnee lag. Aber auch von der Scharte gab es noch einen kleinen anderen Gipfel mitzunehmen mit traumhaften Ausblicken!
Woche 2: GR20 Nord
Von Vizzavona aus führt der GR20 stetig aufwärts zur Crête de Muratello und wieder hinab zum Refuge de l’Onda. Von dort geht es weiter über die Bergerie de Tolla bis zum grandiosen Refuge de Petra Piana.
Für uns gibt es stattdessen aus Zeitgründen einen kurzen Transfer von Vizzavona nach Canaglia. Ein paar Kilometer führt uns der Weg über einen Forstweg entlang des Manganello Flusses mit Badegumpen und kleinen Wasserfällen hin zur Cascade du Meli und der Passerelle de Tolla, einer kleinen Brücke. Hier sind wir bereits wieder auf dem GR20 und wandern schon kurz darauf an der Bergerie de Tolla entlang. Hier sind wir auf 1011m Höhe, ein steiler Anstieg erwartet uns jetzt durch eine atemberaubend schöne Landschaft. Immer weiter geht es durch den Wald und entlang des Manganello Flusses. Herrliche Badegumpen mit kleinen Wasserrutschen laden bei der Hitze zu einer Rast und zum Baden ein. Das Wasser ist natürlich eiskalt aber so einige Wanderer lassen es sich hier gut gehen!
Der Wald lichtet sich und auf dem felsigen, gerölligen Untergrund wandern wir immer weiter aufwärts. Wir queren einen Seitenarm des Flusses und geben noch einmal alles als der Weg immer steiler wird. Kraxelns ist auch immer wieder angesagt zwischendurch bis wir an der verlassenen Bergerie de Gialgo ankommen. Bloß keine Müdigkeit vorschützen, weiter geht es die letzten Höhenmeter bis zum Refuge de Petra Piana. Der weitläufige Zeltplatz ist absolut gigantisch am Berghang gelegen, die kleine Übernachtungshütte ist wunderschön gebaut und bietet auch zum Kochen dem Wanderer Schutz. An einer weiteren Hütte kaufen wir erstmal kühle Cola und Snacks, die Pause haben wir uns jetzt erstmal verdient, 1122m höher sind wir als heute Morgen am Startpunkt.
Aber das ist ja noch längst nicht alles für heute, nach der Mittagspause heißt es weiter bergan steigen zur Bocca Muzzella auf 2206m Höhe. Der Blick zurück zeigt wie klein doch das Refuge Petra Piana von hier oben aussieht und gibt den Blick auf die grandiose Landschaft frei. Wenn das überhaupt noch geht ist aber die Landschaft auf der anderen Seite der Bocca Muzzella noch grandioser! Über den Col de Rinoso steigen wir langsam hinab und genießen den Blick auf den Lac de Rinoso. Grün-Blau schimmert er weiter unten vor sich hin, er passt perfekt in diese raue Gebirgslandschaft. Wir klettern und wandern weiter, bergan, bergab, immer aufpassen wohin man tritt. Der Weg zieht sich weiter und gibt den Blick nur für den aufmerksamen Wanderer auf den Lac de Capitello frei. Von hier ist der See nur eine ganz kleine ebene Fläche, die fast überzulaufen scheint. Wunderschön eingerahmt von den weiß-grauen Felsen. Dann kommt auch schon der nächste Gebirgssee ins Blickfeld, bisher war der Melo-See durch die Felswände verdeckt.
An der Bocca a Soglia biegen wir abermals vom GR20 ab und wandern nun wieder hinab, am Lac de Melo vorbei und auf anspruchsvollen Wegen immer weiter abwärts bis zur Bergerie de Grotelle. Ein wahnsinnig langer und wahnsinnig schöner Tag geht hier zu Ende, bei der herzlichen Gastfreundschaft von Theo, der uns ausgiebig bewirtet bis wir fast platzen. Danach geht es ab ins Zelt für eine erholsame Nacht. Zumindest meistens, von hier habe ich auch schon mal eine Stunde lang mitten in der Nacht dem Wetterleuchten unten in Corte zugeschaut!
Der zehnte Wandertag beginnt mit müden Gliedern, allerdings wird uns auch dieser Tag wieder ausgiebig fordern und begeistern! Nach einem guten Frühstück steigen wir wieder hinauf durch das Restonica Tal zum Melo-See. Früh sollte man hier los, bevor die Tageswanderer auch ihre Tour hier beginnen. Die zwei kettenversicherten Stellen sind mühelos zu bewältigen, ebenso wie die zwei Eisenleitern. Hinauf geht es eben doch leichter als hinab! Der Melo See lockt zum Baden aber wir wollen noch höher hinauf!
Anstrengend, steil und mit einigen Kraxelstellen wandern wir weiter bis zum Capitello See! Mein absoluter Lieblingssee auf Korsika, das tiefe dunkelblau des Sees hebt sich von den steilen Felsen auf der anderen Seite des Sees ab und bildet einen wunderschönen Kontrast zum Altschnee des letzten Winters. Ein traumhaft schöner Ort, der perfekt Platz für eine Pause zum Kräftesammeln. Von hier aus geht es nämlich weiter am See entlang bis zum anderen Ende, dort führt ein Pfad die steile Schlucht zur Brêche de Capitello hinauf. Hier sind wir wieder auf dem GR20 und wandern weiter entlang des Kamms. Wandern ist untertrieben, der Weg ist anspruchsvoll und spektakulär! Wir kraxeln, klettern, gehen, bleiben stehen und schauen uns um. Der Lac de Capitello und der Lac de Melo glitzern unter uns, die steilen Felsnadeln bilden einzigartige Skulpturen, von Meister Natur geschaffen. Für mich ist diese Etappe eine der schönsten auf dem GR20, ich kann mich kaum satt sehen an dieser rauen Bergwelt!
Bis zur Bocca e Porte steigt der Weg an, im Juni oder Anfang Juli sind hier auch noch Schneefelder möglich, die sehr vorsichtig gequert werden müssen. Auf der anderen Seite der Scharte geht es dann steil hinunter, Vorsicht ist noch einmal geboten. An einer Quelle kann man noch einmal Kraft schöpfen bevor es an den weiteren Abstieg zum Refuge de Manganu geht. Sobald die Hütte in Blick rückt gilt es noch einmal gut aufzupassen, die rutschigen Steinplatten haben es in sich! Endlich an der Hütte angekommen gibt es genügend Platz für Zelte oder auch im Lager nachdem man sich bei einer warmen Dusche erholt hat. Wie immer sind auch hier die Hüttenwirte äußerst freundlich, das Essen wird hier allerdings wenig umweltfreundlich auf Plastiktellern & co serviert.
Nach den letzten beiden anstrengenden Tagen wartet jetzt eine Erholungsetappe auf uns! Vom Refuge de Manganu führt uns der GR20 ganz leicht abwärts bis zu der malerischen Bergerie de Vaccaghia. Hier hab ich das Gefühl eher in den schottischen Highlands oder Schweden zu sein als auf Korsika! Von der Alm führt der Weg weiter ganz sanft ansteigend durch einen kleinen Wald und dann am Tavignano Fluss entlang zu weiteren Almen, wo man manchmal das Glück hat freilaufende Pferde zu sehen. Dann wartet auch schon das nächste Highlight, der Nino See, auf uns! Blau schimmert der See, umrahmt vom saftigen Grün und im Hintergrund der Capu a u Tozzu. Einer der größten und wärmsten Bergseen Korsikas, das Baden ist hier allerdings leider verboten! Der eiszeitliche See ist von alten Moränen und Moorlandschaft umgeben.
Nach einer erfrischenden Pause an einer Quelle direkt am Nino See geht es noch einmal aufwärts, wieder recht sanft, bis zur Bocca â Reta. Hier kann man noch relativ schnell höher hinauf auf den Capu a u Tozzu, mit fantastischem 360° Blick! Dann aber weiter, unterhalb des Gipfels mit grandiosen Aussichten. Ein Kilometer führt der Weg dann entlang eines Grates, von hier ist das Matterhorn Korsikas, die Paglia Orba, und der höchste Berg Korsikas, der Monte Cinto, schon sehr gut zu erkennen!
An einem windgekrümmten Baum führt der Weg hinab zur unspektakulären Kapelle San Pedru und weiter in den Wald hinein bis zum Castellu di Verghio. Der letzte Anstieg ist noch einmal etwas gemein, aber dann ist die Straße und der Hotelblock erreicht. Nach dem Charme der letzten Hütten fühlt man sich hier der Natur entrückt, die gute Strom- und Wasserversorgung sowie die gute Verpflegung haben aber auch etwas für sich! Im kleinen Shop kann man hier auch wunderbar seine Vorräte aufstocken, ein kühles Bier oder Eis genießen.
Tag 12 auf dem GR20 ist bereits angebrochen, heute wird es zwar einfacher aber gigantische Ausblicke und Berge warten auf uns! Kurz wandern wir an der Straße entlang bis es schon in den Wald hineingeht. Der Weg schlängelt sich relativ eben dahin bis zur Bergerie de Radule. Die Almhütte ist sehr schön gelegen, kurz darauf kommt man zur Brücke über den Golo mit einem kleinen Wasserfall. Rechts am Golo entlang führt der Weg immer höher ins Tal hinein bis zur nächsten Brücke, auf der wir abermals den Fluss überqueren. Der Ginster blüht leuchtend gelb und ich kann mich kaum sattsehen an den Farben. Dann rückt die Paglia Orba ins Blickfeld! Am Anfang der Wanderung haben wir die Königin der Berge Korsikas in der Ferne erahnen können, jetzt ist sie schon zum Greifen nah.
Aber erst nach einem weiteren steilen Anstieg, scheinbar willkürlich biegt der GR20 vom Golo ab und führt einen Hang hinauf. Schnaufend erklimme ich den Hügel und frage mich, ob ich nicht einfach dem Pfad am Fluss hätte folgen sollen, aber dann bin ich oben angekommen und verstehe. Der Blick ist hier oben frei auf die andere Seite, frei bis zum blauen Meer, das in einer Dunstwolke aus der Hitze dort unten vor sich hin flimmert. Dann führt der Pfad weniger steil bis zum Refuge Ciuttulu di i Mori, das direkt unter dem Capu Tafunatu und der Paglia Orba gelegen ist.
Das Teufelsloch im Capu Tafunatu zieht viele Bergsteiger an und heute macht die Fremdenlegion, die auf Korsika stationiert ist, hier ihre Übungen. Ich möchte mir noch einen Traum erfüllen und nach Rücksprache mit den Hüttenwirten mache ich mich allein auf zum Gipfel der Paglia Orba. Der Weg soll schwer zu finden sein aber ich habe Karte, GPS und einen guten Orientierungssinn. Zunächst durch Schotter führt der Weg aufwärts, windet sich unterhalb des Berges nach rechts bergan bis zu einem Altschneefeld. Dort muss ich wieder nach links abbiegen und das erste Mal mit dem Kraxeln anfangen. Steinmännchen weisen hier den Weg und ich kann ihnen mit etwas Konzentration noch relativ gut folgen. Immer höher klettere ich hinauf, vor jedem Aufstieg prüfe ich, ob ich diese Stelle auch wieder hinunterkommen könnte. Dann wird es immer schwieriger, von unten sieht man die Steinmännchen kaum und ich zweifle an einer schwierigen Stelle, ob ich tatsächlich hier wieder runterkommen würde. Ich wage es und bin auf dem richtigen Weg. Auf einmal ist die Wegfindung wieder einfach, und ich bin berauscht vom Blick der sich mir bietet. Das Teufelsloch ist nun unter mir und die Felsen mit dem Meer sind einfach nur gigantisch schön. Sitzen, genießen, atmen, das Glück spüren auf dieser wunderschönen Welt zu sein! Dann aber weiter, ich muss noch einmal absteigen und auf der anderen Seite wieder hoch und dann sind die letzten Meter auf einmal ganz einfach über den Bergrücken! Überglücklich bin ich am Gipfel angekommen und feier mit mir selbst. Nur ein Pärchen ist mir unterwegs entgegengekommen, auf dem Gipfel bin ich ganz alleine.
Dann geht es wieder an den Abstieg, ich hab Respekt vor den beiden Schlüsselstellen. Die erste ist ganz einfach, bei der zweiten muss ich zunächst etwas überlegen, wie ich sie angehe aber dann läuft es wie von selbst. Unten geht es dann einfach weiter bis zur Bocca di Foggiale. Hier wartet ein sehr steiler Abstieg auf Geröll, Felsplatten und vielen losen Steinchen. Es heißt also aufpassen und vorsichtig absteigen bis der Foggiale erreicht und überquert wird, danach wird es bald einfacher und endlich im Schatten des Waldes entkommt man der brennenden Sonne.
Nun geht es sanft aufwärts durch den Wald bis zur Bergerie de Ballone, meinem Lieblingszeltplatz auf dem GR20. Die Zeltplätze sind über den Hang verstreut und bieten in alle Richtungen Bergblick. Direkt an der Bergerie findet man auch zahlreiche Gumpen, ich suche mir eine abgeschiedene für mich alleine und mit Blick auf den Berg nehme ich dort ein kleines, eiskaltes Bad. Ein schöneres Badezimmer kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Am Ende eines solch gigantischen Tages baden mit Bergblick und ein Zelt mit Bergblick und ein gemütliches Abendessen mit Myrtenlikör zum Abschluss – Wanderglück pur!
Ausruhen war gestern Abend wichtig, heute wartet die längste und anstrengendste Etappe des GR20 auf uns! Es geht über die Pointe des Eboulis unterhalb des Monte Cinto auf die andere Seite nach Haute-Asco. Eine lange, anstrengende und ausgesetzte Etappe, aber traumhaft schön! Frühmorgens geht es los, von der Bergerie de Ballone steigen wir auf Richtung Refuge Tighiettu, kurz vorher biegen wir nach rechts ab und steigen weiter auf. Das Wetter ist heute leider nicht so gut, die Wolken hängen tief und ziehen über uns hinweg. Wir wandern daher schnell, einen Blick zurück werfen wir aber dennoch ab und an um den grandiosen Blick ins Tal zu genießen. Relativ einfach geht der Weg über Steine, Felsplatten und zum Schluss in Serpentinen durch den Schotter zur Scharte. An der Bocca Crucetta ziehen die Wolken so dicht und schnell, dass man nur ab und an noch den Blick auf die umliegenden Berge erhascht.
Schnell ein Foto und weiter geht es. Eine kurze Kraxelstelle nach unten und dort geht es dann relativ eben am Hang entlang. Der Lac du Cinto ist jetzt Ende Juni noch halb mit Eis und Schnee bedeckt und glitzert unendlich blau vor sich hin. Der Anblick ist grandios, aber die Schneefelder würden mich nervös machen wüsste ich nicht zuverlässig von anderen Wanderern, dass der GR20 machbar ist momentan und die Schneefelder umgangen werden können. Dann sind wir auch schon an der Pointe des Eboulis. Es zieht etwas auf und wir können wolkenverhangene Blicke auf die Bergwelten genießen. Wir machen Pause, genießen den Momenten und erholen uns von den Höhenmetern. Wir sind heute früh auf 1440m gestartet und jetzt auf 2607m und müssen uns jetzt für den schwierigen und langen Abstieg stärken.
Bei gutem Wetter hätte ich jetzt gerne noch den Monte Cinto mitgenommen, der höchste Berg Korsikas ist jetzt auch nur noch 100 Höhenmeter weiter hinauf. Das Wetter sieht allerdings so schlecht aus, dass wir keine Zeit verlieren dürfen und absteigen müssen. Bei Regen ist der eh schon anspruchsvolle Abstieg gefährlich. Wir steigen also durch das Geröll ab, kettenversicherte Stellen helfen uns über einige schwierige Stellen. Nach einiger Zeit kommen wir durch eine steinschlaggefährdete Stelle und verständigen uns mit den aufsteigenden Wanderern, dass wir abwechselnd absteigen und aufsteigen. Dann ist auch diese gefährliche Stelle geschafft, aber die Schwierigkeit nicht vorbei. Die Schneefelder sind tatsächlich gar kein Problem, aber der Abstieg ist sehr lang, immer wieder gilt es Felsplatten zu queren, Geröll und Kletterstellen zu überwinden und immer aufzupassen wohin man tritt.
Auf eine einfache Stelle folgt immer wieder ein schwieriger Abschnitt und so hat man keine Ruhe bis endlich der Wald erreicht ist. Mächtig und ausladen wachsen hier die Larizius Kiefern und verschwinden im Nebel. Es ist nicht mehr weit und wir sputen uns bis wir erschöpft und glücklich in Haut-Asco ankommen. An dieser kleinen Skistation gibt es ein Hotel, dass auch über ein Restaurant und Zimmerlager verfügt sowie einen Campingplatz. Als wir gerade uns mit einem heißen Kaffee und Pfannkuchen hinsetzen geht draußen das Unwetter los. Der Regen trommelt auf die Scheiben und wir sind überglücklich es gerade noch rechtzeitig in die schützende Unterkunft geschafft zu haben.
Bis vor einigen Jahren ging der GR20 übrigens noch durch den gigantischen Cirque de Solitude. Im Juni 2015 sind hier allerdings durch einen Erdrutsch sieben Wanderer umgekommen und der Abschnitt wurde gesperrt. Im Juni 2018 wurde der Weg wieder freigegeben, allerdings ohne Seilversicherungen und somit nur für erfahrene Bergsteiger als Alternative machbar. Für alle, denen der Weg über die Pointe des Eboulis zu lang und schwierig ist oder wenn das Wetter zu schlecht ist, gibt es die Möglichkeit in nur 2-3h nach Calasima abzusteigen und einen regelmäßigen Transferbus nach Haut-Asco zu nehmen. Wenn das Wetter es zulässt kann man allerdings noch einen Blick in den Cirque de Solitude wagen! Von der Bergerie de Ballone steigt man dafür zum Refuge de Tighiettu auf. Von dort aus wurde die rot-weiße Markierung Richtung Cirque de Solitude mit lila übermalt, aber dennoch für ein geübtes Auge erkennbar. Man kann dem Weg also ohne größere Probleme folgen, mal über Felsplatten, Geröll, Kraxelstellen, aber alles machbar nachdem was bis hierher schon geleistet wurde. Es ist ein recht anstrengender Aufstieg bis zur Bocca Minuta auf 2218m, aber der Blick oben in den Kessel ist gigantisch! Die Chance hier Mufflons, die korsischen Wildschafe, zu sehen ist sehr hoch und außerdem ist man hier ausnahmsweise Mal ganz einsam unterwegs. Danach auf gleichem Weg wieder zurück und Abstieg nach Calasima.
Der für uns der letzte Tag auf dem GR20 bricht mit einem fantastischem Sonnenaufgang an, den man direkt von der Unterkunft bewundern kann. Am besten geht man ohnehin mit dem Sonnenaufgang los, es wird schnell warm werden und der steile Aufstieg ist ohne die Hitze deutlich angenehmer. 600 Höhenmeter müssen auf kürzester Distanz überwunden werden, aber wie immer wird die Anstrengung belohnt.
Zurück blicken wir auf das Monte Cinto Massiv und vorwärts in den Talkessel und das Meer. Dann gilt es noch einmal sich zu konzentrieren und zu kraxeln, aufwärts, abwärts, über Felsplatten, Felsblöcke…
Nach der Bocca di Muvrella geht es wieder steil abwärts zum Lac de la Muvrella und ins nächste Tal hinein. Schon wieder sind wir in einer ganz anderen Welt, das schönste für mich am GR20 ist es, dass nach jedem Pass etwas Neues auf mich wartet, der Weg ist abwechslungsreich und wunderschön. Ketten helfen über Felsplatten hinweg, besonders bei Regen ist das Gold wert, bei Trockenheit nicht unbedingt notwendig. Der Spasimata Fluss rauscht neben uns ins Tal hinein und bietet immer wieder Badegumpen ein.
Die schönste Badestelle ist weiter unten, direkt an der Hängebrücke! Dort also eine ausgiebige Pause bevor es für uns an den Abstieg geht. Der GR20 führt von hier zum Refuge de Carrozzu und über das Refuge d’Ortu di u Piobbu nach Calenzana, wo er endet (oder startet).
Wir beenden allerdings bereits hier den GR20 und steigen noch einmal durch den herrlichen Forêt de Bonifatu ab. Viele Tageswanderer kommen uns hier entgegen, für uns zieht sich zum Ende der Weg noch einmal bis man endlich an der Straße (und tollen Badegumpen, im Sommer ist hier viel los!) und danach an der Auberge de la Forêt de Bonifatu endet. Mit einem kühlen Bier stoßen wir auf den Erfolg an und die atemberaubenden, anstrengenden, wunderschönen zwei Wochen auf dem GR20.
Infos & Tipps
Korsika hat viele Namen: Das Gebirge im Meer, Ile de le Beauté (die Insel der Schönheit), Insel der Gegensätze… Bereits Napoleon war von seiner Geburtsinsel und dem Duft der Macchia betört und sagte, er könne mit verbundenen Augen und Ohren die Insel einzig an ihrem Geruch erkennen. Der GR20 entführt in die Gebirgswelt Korsikas, auf anspruchsvollen Wegen. Der schwerste Weitwanderweg Europas ist der GR20 wahrscheinlich nicht mehr, dennoch verlangt der Weg einiges ab, besonders, wenn er mit Zelt und kompletter Ausrüstung und Essen begangen wird.
Länge & Dauer
Der GR20 ist insgesamt 170km lang und führt von Conca nach Calenzana mitten durch das Hochgebirge Korsikas. 12,000 Höhenmeter werden insgesamt überwunden. Während der schnellste Mensch die gesamt Strecke in 31 Stunden und 6 Minuten bewältigt hat, braucht der durchschnittliche Wanderer 15 Tage. Wer lange Wandertage nicht scheut und über gute Kondition verfügt kann den GR20 auch in 10 Tagen schaffen. Wer stattdessen auch mal Ruhetage einlegen möchte und die Landschaft ausgiebig bewundern möchte sollte lieber mehr als 15 Tage einplanen. Die meisten Wanderführer beschreiben den GR20 von Nord nach Süd, die umgekehrte Variante, die ich hier beschreibe, kann ich allerdings auch nur empfehlen!
Wer den GR20 wandert ist nicht alleine unterwegs. Der Weitwanderweg ist sehr beliebt, um die 10,000 Wanderer machen sich jedes Jahr auf den Weg, viele auch in größeren Gruppen. Dennoch fühlt sich der Weg selten überlaufen an, besonders die Randzeiten frühmorgens oder spätnachmittags sind angenehm.
Schwierigkeit & Reisezeit
Der GR20 ist ein anspruchsvoller Weg im Hochgebirge. Grundkondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind unbedingt notwendig. Kleine Kletterstellen und seilversicherte Stellen müssen auch mit einem eventuell schweren Rucksack überwunden werden. Der Weg ist durchweg gut in rot-weiß markiert (manche Varianten in gelb). Eine gute Orientierung, Karten oder Wanderführer und GPS sind unabdingbar.
Der GR20 wird meistens zwischen Juni und September begangen. Außerhalb dieser Zeiten ist er nur für Bergsteiger mit Erfahrung in Schnee und Eis zu empfehlen. Im Juni kann es noch Altschneefelder geben, dafür ist die Temperatur tagsüber angenehmer. Nachts kann es noch empfindlich kalt werden. Der Juli ist sehr gut geeignet, es gibt noch genug Wasser und das Wetter ist meistens stabil. Der August ist problematisch, Wärmegewitter sind gegen 14h die Regel und können jeden Tag auftreten. In diesem Fall muss jeden Morgen bei Sonnenaufgang gestartet werden um vor dem Gewitter die Etappe beendet zu haben. September ist meistens auch gut möglich, es gibt allerdings manchmal Wasserknappheit und es wird wieder kälter.
Unterkünfte & Verpflegung
Für die Planung und Orientierung unterwegs empfehle ich den Rother Wanderführer Korsika GR20. Er beschreibt sehr detailliert die einzelnen Etappen, Unterkünfte, Wasserquellen und Verpflegungsmöglichkeiten. In regelmäßigen Abständen ist es möglich in einer Hütte (Refuge) oder auch Almhütte (Bergerie) unterzukommen und zu essen. Die Lager sind allerdings oft wochenlang im Vorhinein ausgebucht, wer nicht mit eigenem Zelt reist muss sich vorher unbedingt um Reservierungen kümmern. Agenturen vor Ort können ebenso einen Gepäcktransfer organisieren. Eine andere Möglichkeit ist natürlich bequem mit einer Gruppe zu wandern, zum Beispiel mit Wikinger Reisen, für die ich als Wanderführer arbeite. Wer mit Zelt unterwegs ist, hat keine Probleme einen Zeltplatz zu finden, davon gibt es an jeder Hütte ausreichend. Wildcampen ist auf ganz Korsika und dem GR20 untersagt. Das Zelten an der Hütte ist günstig, für nur 7€ kann man meistens sein Zelt im Normalfall aufschlagen und die Infrastruktur der Hütte nutzen. Das Geld geht übrigens direkt an die Nationalparkverwaltung, die Hüttenpächter leben vom Vermieten von Zelten, Lagern und verkaufter Verpflegung. Durch die gute Versorgung an den Hütten kann man daher nicht nur das Rucksackgewicht erleichtern, indem man in den Hütten zu Abend isst oder frischen Käse und Brot kauft, sondern hilft auch den Hüttenwirten.
ACHTUNG: Es gibt fast jedes Jahr spätestens gegen Ende des Sommers Bettwanzen in den Hütten. Ein eigenes Zelt schützt einen am besten. Wer im Lager schläft muss darauf vorbereitet sein, dass es Bettwanzen geben kann und sich idealerweise ein Mittel dagegen besorgen (Anti-Punaises / Anti-Bettwanzen -Mittel, wirkt aber nur bedingt). Es wird meist mit Chemiekeulen gegen die Bettwanzen vorgegangen aber da diese im Schlafsack und co mitgetragen werden hilft auch das leider nicht immer. Wer Bettwanzen auf Korsika hatte sollte bei Wiederkehr ALLES mehrere Tage oder lieber sogar 2 Wochen einfrieren und dann möglichst heiß waschen. Ansonsten kann der Kammerjäger teuer werden.
Strom & Empfang
Eine gute Powerbank ist auf dem GR20 Gold wert. Nur wenige Hütten verfügen über eine zuverlässige Stromversorgung und bieten daher oft auch nur wenige Steckdosen zum Aufladen des Smartphones oder der Kamera. Alle an einer Straße gelegenen Stationen (wie zum Beispiel Haut-Asco, Vizzavona, Castel di Verghio) sind ans Stromnetz angeschlossen und bei Übernachtung auf einem Campingplatz oder im Lager kann dort in der Regel die Powerbank oder das Handy aufgeladen werden. Handyempfang gibt es auch nicht überall, auch an manchen Hütten gibt es keinerlei Empfang. Das beste Netzt gibt es meistens auf Pässen oder Gipfeln.
Auf Pinterest merken
Wow, was für Mega Bilder und ein toller Bericht! Und die Dolomiten Korsikas muss ich mir unbedingt merken ?
Lieben Dank! Korsikas Bergwelt ist auf jeden Fall eine Reise wert!
Sehr beeindruckend! Darf ich nach der Marke/Model von dem orangen Rucksack fragen? Ich finde es echt nicht leicht, für Frauen passendes zu finden.
Das ist ein Vaude, ich weiß nicht mehr welches Model. Allerdings bin ich ohnehin kein Durchschnittsmaß für Frauen, ich bin recht groß und hab breite Schultern, daher nehme ich meistens Männerrucksäcke!
Am Besten in einen gutsortierten Outdoorladen gehen und anprobieren bzw anpassen lassen! Durch die richtigen Einstellungen sitzt der Rucksack erst so richtig.
Viele Grüße
Bettina
Ich bin den GR 20 im Sommer 2023 auch von Süd nach Nord gegangen und würde gerne ein paar Informationen teilen (s. Link: meine Packliste, Etappen und Unterkünfte sowie ein kompletter Reisebericht). Mein Fazit ist, dass es sehr stark vom Wetter abhängt, wie anspruchsvoll der “Weg” empfunden wird. Mein Einstieg in Conca war extrem heiß (35°C bei sehr wenig Wind) und Leute, die zeitgleich im Norden gestartet sind, haben berichtet, dass sie zwischen den Felsen gebacken worden sind. Später dann hatte ich extremen Sturm der das Klettern am Grad sehr anstrengend gemacht hat.
Ich bin alleine gegangen und musst bei den letzten Etappen feststellen, dass mich diese oft als besonders schwer bezeichneten Etappen nicht körperlich, sondern mental ausgelaugt haben: Es war nur Geröll in unterschiedlichen Größen und das über mehrere Tage. Alleine hat man keine Ablenkung und die Gefahr ist groß, sich stimmungsmäßig kaputt zu machen.
Ich bin schon etwas älter (52) und bin den Weg ganz gemütlich in 16 Tagen gewandert. Wenn ich ihn noch einmal gehen würde, würde ich auf das eigene Zelt und den Kocher verzichten, um Gewicht zu sparen.
Hier meine Packliste, meine Packliste 2.0 und die Etappen, Unterkünfte sowie der komplette Reisebericht: https://henemm-gmbh.notion.site/GR20-78196f5f79944be9b682dd9becb6ff6b?pvs=4
Vielen Dank für deine Ergänzungen!